Deutsche Meisterschaft auf dem Wannsee 29.8.-1.9.2024

von Arne Winkelmann

„Pack die Badehose ein, nimm dein kleines Schwesterlein, und dann nischt wie raus nach Wannsee …“ Die Assoziation mit dem 50er-Jahre-Schlager der kleinen Connie Froboess, die sich unwillkürlich bei dem Gewässernamen einstellt, verdeutlicht, welche Altersklasse bei dieser Regatta angesprochen war. Als Master werden bei den ILCAs bzw. Lasern Segler über 45 Jahren bezeichnet. Die Einteilung wird sogar noch ausdifferenziert: Ab 55 ist man Grandmaster, über 75 dann Legend. Also eine Regatta für ältere Segler, die das Lied im Zweifelsfalle sogar noch mitsingen könnten: die IDMA – Internationale Deutsche Meisterschaft.

Tatsächlich habe ich nicht „mein kleines Schwesterlein“ mitgenommen, sondern umgekehrt. Trixi (also unsere Jugendleiterin) ist zwar tatsächlich jünger als ich, aber die wesentlich versiertere Seglerin von uns und nimmt nur noch an ausgewählten Regatten teil – also wo viel Boote am Start sind und wirklich was geboten ist. Insofern hat sie mich mitgenommen, denn ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen „raus nach Wannsee“ zu fahren. Denn „durch den Grunewald geschwind“ ist die Anreise nicht. Mit etwas Stau waren wir doch satte sieben Stunden unterwegs bis wir in der Dunkelheit um halb Elf auf dem Gelände des Potsdamer Yachtclubs ankamen. Der schmale Streifen von Seegrundstück war mit Wohnmobilen und Hängern vollgestopft, sodass wir lange nach einem Plätzchen für unsere Zelte suchen mussten. Unter einem Busch direkt am Steg haben wir dann was gefunden.

 

Am nächsten Morgen stellte sich aber heraus, dass das so ziemlich der beste Platz zum Campieren war. Hier stand ein Pavillon, der, wie wir später erfahren haben, die Leichenhalle eines vormaligen Lungensanatoriums war, das hier in der benachbarten Villa um die Jahrhundertwende untergebracht war. (Die Toten wurden über das Wasser abtransportiert und hier aufgebahrt.) Dafür gab’s hier Wasser und Strom und natürlich einen schönen Ausblick auf den See. Gleich wie. Erstmal melden gehen – auf dem eigentlichen Geländes des Yachtklubs in einem protzigen Bauwerk (1905), das auch als Grandhotel hätte durchgehen könnten. Nach der Steuermannsbesprechung ging’s dann gleich aufs Wasser. 


„Hei, wir tummeln uns im Wasser wie die Fischlein, das ist fein. Und nur deine kleine Schwestern, nee, die traut sich nicht hinein“. In Summe haben sich knapp 130 Boote auf dem Wasser getummelt: 64 bei den Radials und 63 bei den Standards. Aber ins Wasser hätten sich aber auch große Brüder nicht hineingetraut, denn der Wannsee hatte gerade eine Blaualgenpest in seinem brühwarmen Spätsommerwasser. Lieber nichts davon in den Mund bekommen, hat man uns gewarnt. Also auch nicht durchkentern oder so.

Erster Start, erste Kreuze, erste Tonne … dann erfolgte allerdings schnell Abbruch der Wettfahrt. Die wirklich sehr fähige Regattaleitung verlegte das Feld und so konnten wir an diesem Freitag schon mal drei Wettfahrten segeln. Boah, hat das Laune gemacht! War das ein Spaß! Endlich mal wieder auf einem großen Revier, mit anständigem Wind und einem richtig großen Feld matchen. Strahlender Sonnenschein, drei bis vier Windstärken … was will man mehr! Auch wenn ich mit meinen 54 Jahren noch mit zu den jüngeren Seglern gehörte, so heißt das nicht, dass man gegen die „Alten“ irgendeinen Stich macht. Das sind alles erfahrene Routiniers, die auf dem Laser großgeworden sind und denen man gar nichts mehr vormachen kann – also eine wirklich harte Konkurrenz. Einer alten Gewohnheit folgend bin ich in den drei Wettfahrten im hinteren Mittelfeld gelandet (45, 55, 36), war aber völlig beseelt von dem schönen Tag auf dem Wasser, die Sonne, der warme Wind ... Trixi hingegen mischt bei den Radials weiter vorne mit (17, 15, 17).

Abends fand dann der Umtrunk mit Buffett auf dem noblen Klubgelände statt. Für Trixi eine Art Klassentreffen, weil sie viele alte Bekannte und Weggefährten wieder getroffen hat. So habe ich ganz schnell, ganz viele Leute kennengelernt und mich gut unterhalten. In vielen interessanten Gesprächen haben wir dann auch erfahren, dass hier nicht nur eine Legend mit segelt, sondern gleich mehrere schon über 75 Jahre alt sind, darunter auch Peter Seidenberg mit seinen fast biblischen 86 (in Worten sechsundachtzig) Jahren. Und der ist am Ende sogar auf Platz 26 gelandet! Insgesamt hat er 13 mal die WM der Masters gewonnen.

Eigentlich hatte ich nicht viel getrunken, aber der nächste Morgen bringt bei mir Übelkeit und sogar Erbrechen. Vielleicht ein Sonnenstich – die letzten beiden Wettfahrten hatte ich keine Mütze auf. Jedenfalls will ich mir nicht den schönen Regattatag versauen lassen und fahre trotzdem raus. Und auch wenn sich der Tag in angeschlagenem Zustand wirklich sehr anstrengend darstellt, so war es wieder ein wunderbarer Wettkampftag. Mit den drei Wettfahrten war ich deshalb ganz zufrieden (29, 40, 42). Trixi hatte einen Ausreißer nach unten, aber auch einen sechsten Platz gemacht (37, 10, 6).

Wieder an Land war ich aber auch fix und fertig und verzog mich direkt ins Zelt, ins Bett. Selbst den Umtrunk und die Party am Abend musste ich auslassen (so schlecht ging‘ mir!). Trixi kümmert sich liebevoll und bringt mir noch ein Doggybag vom Buffet. So richtig viel bekam ich aber nicht runter.

Auch wenn es mir am nächsten Morgen wesentlich besser ging, wollte ich nun nicht Restkräfte für die beiden letzten Wettfahrten mobilisieren müssen und setzte aus. Trixi ging an den Start und landete noch auf Platz 20 und 15. In der Zwischenzeit habe ich alles den Hänger geladen und meine Sachen gepackt, sodass wir, als Trixi vom Wasser kam, direkt die Heimfahrt antreten konnten „… denn am Abend müssen wir zuhause sein.“ Die Siegerehrung um 16 Uhr ließen wir also aus, damit wir noch zu einer zivilen Zeit daheim kommen.

Auf der Autobahn checkt Trixi dann die Wettfahrtergebnisse auf manage2sail. „Ich bin Elfte geworden“, platz es aus ihr raus. Die Pointe dabei ist, dass es bei den Radialmastern für den ersten, der nicht unter den Top Ten landet, einen Trostpreis gibt, nämlich einen lebensgroßen Plüsch-Affen. Wahrscheinlich hat das Ding mal jemand auf der Kerwe geschossen oder bei einer Tombola gewonnen und sich mit dieser Umwidmung dem riesigen Tier entledigt. So hat Trixi nun einen riesigen Stoffschimpansen für einen Jahr als Mitbewohner.

Ich fand’s großartig! Vor allem die Erkenntnis, dass meine Regattakarriere im Vergleich zu den anderen noch ziemlich jung ist und ich jetzt wieder richtig Lust auf den Regattazirkus habe – mit der gleichen Freude wie Conny Froboess: „Pack die Badehose ein!“